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27.04.2014
Kategorie: Punktspiel
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Von: Lenny

36 - KSV Holstein Kiel (H)


Es war keine Glanzleistung, dafür aber erfolgreich und zielführend: Mit einem 2:1-Heimerfolg gegen den KSV Holstein Kiel sichert sich der Chemnitzer FC drei Spieltage vor Ende der Saison den Klassenerhalt. Den Rückstand aus dem sehr schwachen ersten Durchgang drehte der eingewechselte Förster mit einem Doppelpack. Danach flog er vom Platz. Und es bleibt dabei: Chemnitz steigt niemals ab. Nach der Pflicht folgt nun die Kür.

Auf der Zielgerade gehen CFC-Coach Carsten Heine die Spieler aus. Garbuschewski, Mauersberger, Conrad und Kapitän Bankert waren verletzt oder krank, fielen entsprechend aus. In der Reihe ordnete sich zudem Top-Torjäger Fink ein, welcher gegen Wehen-Wiesbaden seine fünfte Karte erhielt, folglich gesperrt ist. Dementsprechend wurde in der Startformation einiges rotiert. Im Tor blieb Pentke, vor ihm bildeten erstmalig Al-Hazaimeh und Hensel die Innverteidigung, außen spielten Scheffel und Stenzel. Im Mittelfeld flitzten auf den Flügelpositionen Stenzel und Hofrath, in der Defensive agierten Lais und Pusch kämpferisch, etwas davor zog Kegel die Fäden. Im Sturm mühte sich Semmer allein. So war es angedacht.

Etwas mehr als 4.500 Zuschauer – darunter fast eine Hundertschaft aus Kiel, die besonders mit ihren Bannern, u.a. „Sektion Spielsucht“, überzeugen konnten, zudem ab und an mit Fahnen und Doppelhaltern wedelten und damit ihren bis dato besten Auftritt im Stadion an der Gellertstraße hatten – kamen bei prächtigem Sonnenschein zum vorletzten Heimspiel. Im Ultra-Block wurde die Mannschaft mit den großen Fahnen begrüßt und danach lautstark unterstützt. Allerdings kam die neu formierte Elf nicht so recht in Tritt, die Gäste wiederum nutzten das nach 17 Minuten sofort aus. Nach einem Eckball konnte der Ball, den Pentke zuvor akrobatisch aus dem Winkel holte, von seinen Vorderleuten nicht geklärt werden, sodass der Ball, nachdem ein Kieler diesen wieder Richtung Tor schoss, schlussendlich bei Kegel landete, der den Überblick verloren hatte und den Ball aus Nahdistanz unglücklich ins eigene Tor bugsierte. Kieler auf den Zaun, Chemnitzer geschockt. Aufwachen-Sprüche machten die Runde – und das war bitter nötig, nur funktionierte es nicht, es wollte irgendwie nicht, es war Sand im himmelblauen Getriebe. Mehr als ein Semmer-Schuss, welcher knapp am Tor vorbeirauschte, konnte auf Seiten der Gastgeber nicht verzeichnet werden. Die Kieler, ebenfalls noch mittendrin im Abstiegskampf, waren besser, hatte mehr vom Spiel – und entsprechend Chancen. Mit etwas mehr Fortune hätten die Gäste höher führen können. 

Es war klar, dass nach dem Seitenwechsel etwas passieren musste. Heine reagiert und brachte anstelle von Hofrath, der – im Vergleich zu den starken Wochen davor – sehr blass blieb, Pfeffer. Es dauerte genau eine Viertelstunde bis die Himmelblauen die Chance zum Ausgleich erhielten. Nach einem unbeholfenen Rempler im Strafraum ging Semmer zu Boden. Und es ertönte der Elfmeterpfiff, den einige wenige Sekunden vorher schon, als ein Kieler eine Flanke mit der Hand abblockte, forderten. Es stellte sich nun die Frage: Wer übernimmt die Verantwortung?! Garbuschewski und Fink, die beide schon einen Elfmeter verschossen haben, fehlen. Mit Kegel und Semmer stehen zudem zwei auf dem Feld, die ebenfalls zuletzt scheiterten. Pusch, der einen guten und platzierten Schuss hat, tritt an, schießt halbhoch und damit dankbar für den Kieler Schlussmann, der die Ecke erahnt und den Ball sicher hält. Meine Güte. Um Himmels Willen. Der Chemnitzer FC macht es sich schwer – und den Abstiegskampf unnötig spannend.

In solchen Momenten sind Typen gefragt, die aus Nichts Gold machen. Kurz darauf verlassen der unglückliche Pusch sowie Hensel das Spiel, es kommen mit Förster und dem A-Jugendlichen Hansch zwei Offensivkräfte. Es dauert wenige Augenblicke – und die „Baustelle Fischerwiese“ steht Kopf. Direkt im Anschluss: Einwurf von Birk zu Pfeffer, der zurück passt, Birk flankt auf Hansch, der das Kopfballduell zwar verliert, aber seinen Gegenspieler so unter Druck setzt, dass dieser es nicht schafft, den Ball aus der Gefahrenzone zu manövrieren. Der Ball landet stattdessen bei Förster, der diesen stopp, sich vorlegt und mit seinem schwächeren linken Fuß in Richtung Tor hämmert. Der Ball wurde länger und länger – und schlug unhaltbar ein. Alle rasteten danach vollkommen aus, vor allem der Torschütze selbst, der seine Wut, seinen Frust heraus brüllte. Dessen ungeachtet lagen sich alle in den Armen. Spieler wie Fans.

Der Chemnitzer FC wird wieder zum Kraft-Klub, setzt Kiel unter Druck, baut auf, über die Außen. Kegel passt aus der Schaltzentrale zu Pfeffer, der dynamisch in den Strafraum zieht, den Zweikampf gewinnt, flach nach innen passt, wo Förster steht. Und dabei macht er das richtig, was er in der Schlussminute in Wehen-Wiesbaden falsch gemacht hat: Er antizipiert, geht dem Ball entgegen, und vollendet eiskalt. 2:1 – und ab geht die wilde Fahrt! Auf den Zaun, in die Armen der Person, die neben einem steht, Bierbecher werden dem Sonnenschein geschenkt. Chemnitz dreht die Partie und führt 2:1, womit der Klassenerhalt endgültig unter Dach und Fach wäre. Aber noch standen 15 Minuten auf der Uhr. Und sechs Minuten vor dem erlösenden Abpfiff einer weniger auf dem Rasen.

Die Geschichte des Spiels gehört Benjamin Förster: Er kam, traf doppelt und kassierte eine rote Karte, die für ihn nicht nur die Spielzeit 2013/2014, sondern auch die Karriere beim Chemnitzer FC beendet. Nach dem Spiel ließ er vor der Kamera mit unüberlegten und zugleich arroganten Worten seiner Wut freien Lauf. Auszüge: „Zwei sehr schöne Tore... Definitiv Wut im Bauch... Die ganzen Minuten auf dem Spiel... Saison läuft nicht, wie ich es mir vorstelle... So wie heute funktioniert es... Absolut nicht zufrieden... Den Verein hochgeschossen, zwei Tore zum Klassenerhalt geschenkt...“ Bezüglich einer Versöhnung mit dem Verein, dem Chemnitzer FC, hielt er sich bedeckt.

Ich werte folgendermaßen: Benjamin Förster hat mit seinen Toren in der Aufstiegssaison einen großen Anteil am (Mannschafts-)Erfolg gehabt, das erste Jahr in Liga 3 war schwer, das zweite - mit einer zweistelligen Anzahl an Treffern und Torschützenkönig Fink an seiner Seite - mehr als ordentlich, nur ist er aufgrund von regelmäßigen Disziplinlosigkeiten in dieser Saison aus dem Tritt gekommen. Bei ihm fehlt mir - und das haben seine Kiel-Aussagen eindrucksvoll bewiesen – Selbstreflexion. Wenn es nach Unterhaching geht, sollte er München meiden.

Nach der Pflicht, die Klasse gehalten zu haben, folgt nun die Kür – erster von zwei Auftritten findet beim Aufsteiger SV Elversberg statt, der alles dran setzen wird, nicht direkt wieder abzusteigen. Aktuell stehen die Saarländer unter dem ominösen Strich. Alle Blues-Brothers – mit Anzug, Brille und Hut – nach Elversberg!


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