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15.01.2014
Kategorie: Testspiel
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Von: Lenny

Fischerwiesen-Abschied: 1. FC Kaiserslautern


Die Mannschaft des Chemnitzer FC verabschiedet sich mit einem torlosen Unentschieden von der altehrwürdigen Fischerwiese. Gegen den 1. FC Kaiserlautern gelang – trotz guter Möglichkeiten und einem Kegel-Elfmeter – vor 4.805 Zuschauern kein Treffer.  Dessen ungeachtet war die Leistung ansprechend. Die Offiziellen des Chemnitzer FC schickten nach dem Spiel unzählige Raketen in den Abendhimmel und feierten vielmehr noch einmal Silvester, anstatt einen würdigen Abschied vom 80 Jahre alten Stadion. Dass damit der Finger tief in die Wunde der treuen Anhänger gelegt worden ist, scheint dabei keine Rolle gespielt zu haben. Leider. Das war kein Abschied, denn wir waren nicht willkommen…

Der Abpfiff ertönt zur Prime-Time, 20:15 Uhr. Zum letzten Mal in diesem Stadion an der Gellertstraße. Für diverse Jungs in der Südkurve ist der Abpfiff ein Zeichen. Die einen bereiten das Spruchband vor, sowohl im Block als auch vor dem Zaun, andere klettern nur auf den Zaun. Alle sind sich ihrer Verantwortung, die sie in diesem historischen Moment tragen, bewusst, alle, die daran beteiligt sind, wissen, worum es geht, worauf es ankommt. Es soll einen Abschied mit Pyrotechnik geben. Von Fans für Fans. Ein letztes Mal, in diesem Stadion. Als die Wunschmusik erklingt, werden die bengalischen Lichter entfacht. Ein faszinierendes Bild, ein würdiger Abschied, Applaus von überall – dazu singt das weite Rund: Wer war Sieger, die ganzen Jahre…

Der Abpfiff ertönt zur Prime-Time, 20:15 Uhr. Zum letzten Mal in diesem Stadion an der Gellertstraße. Doch es ist alles anders, ganz anders, anders als gedacht. Hinter dem Gästeblock geht ein Feuerwerk in die Höhe, welches mehrere Minuten andauert. Viele freuen sich darüber, als sie diese Vereinsüberraschung sehen und hören. Ah, Oh, Uh, wie toll… Nur ein kleiner Teil, der auswärts wiederum regelmäßig den größten Teil stellt, und das immer und immer wieder, und das schon seit Jahren, seit Jahrzehnten, traut seinen Augen nicht. Die, die schon mit Tränen kämpfen müssen, wischen sie zur Seite, die anderen reiben sich verwundert die Augen. Ist das real?! Kann das sein?! Es ist wahr. Der Chemnitzer FC verbietet Pyro-Technik, um Pyro-Technik durchzuführen. Minutenlang, für mehrere Tausend Euro, wie zu Silvester. Die Kosten, wenngleich diese von einem Sponsor getragen worden sind, hätte man besser in den Nachwuchs stecken oder gar spenden bzw. sparen können. Das, was in den Vollmond-Abendhimmel flog, hätte es nicht gebraucht. Der Countdown – ein Herunterzählen von 10 auf 0 –, bis das Flutlicht ausgeknipst wird, hätte ausgereicht, um das Ende des Stadions zu symbolisieren. Genau so überflüssig waren die am Eingang mit den Worten „Das ist der Pyro-Ersatz heute Abend…“ verteilten Leuchtstäbe, da sie zum einen nicht einmal ansatzweise leuchtende Wirkung erzielen konnten, zum andere sahen diese, wer genau hinsah, unblau aus. Sicherlich sind das nur Haare in der Suppe, die allerdings vorher schon versalzen war.

Die „Ultras Chemnitz 1999“ richteten einen ehrlichen Brief an den Verein, mit der Bitte, den Abschied mit Pyrotechnik zelebrieren zu dürfen. Auch wenn es diesbezüglich in Deutschland kaum eine Möglichkeit besteht, wurde mit offenen Karten gespielt und der Versuch unternommen. Jedoch blieb dieser erfolglos. Der Chemnitzer FC musste – und das ist nachvollziehbar – das Spiel gegen den 1. FC Kaiserslautern beim DFB anmelden. Entsprechend war klar, wer die Schirmherrschaft über diese Partie trägt. Der Chemnitzer FC wies das Anliegen zurück, ohne es im Übrigen an den DFB weiterzuleiten, und ergriff nach diesem Schreiben selbst die Initiative und führte ein Feuerwerk durch. In der Zeit des sogenannten „Chemnitzer Wegs“ war man stolz auf die Ultras, heute meidet man oftmals den direkten Kontakt. Und antwortet mit einem Schreiben, von dem zuallererst nicht klar ist, wer der genaue Absender ist, und dass zusätzlich vor allem keine Fragen beantworten will. Eine Aussage ohne Aussage. Das braucht es nicht, keineswegs, zudem sind Tatsachen verdreht, zugleich unglückliche Sätze formuliert worden. Ferner spaltet es die Fans noch mehr, ein Zustand, der gegen Dynamo Dresden begann und sich aktuell auf eine traurige Art und Weise verfestigt hat.

„Alternativen wurden aufgezeigt und offensichtlich als nicht verwertbar verworfen.“ – Kurzum: Es wurden keine Alternativen angeboten!
„Mit der nun exzessiv geäußerten Verbitterung und den vielen beleidigenden Stellungnahmen ist jedoch keinem ein Gefallen getan.“ – Qualität statt Quantität, die Aussage der „Ultras Chemnitz“ beinhaltet vieles, nur nicht exzessive Verbitterung und Beleidigungen. Was andere schreiben, liegt nicht in unseren Händen.
„Und es ist ein Fakt, dass auch bei solchen Spielen drastische Strafen drohen, wenn man Pyroshows, so attraktiv und naheliegend das für ein Abschiedsspiel unter Flutlicht liegt, intern zulässt.“ – Ein Feuerwerk wird mit pyrotechnischen Erzeugnissen durchgeführt, entsprechend muss es nach diesem Feuerwerk leider Strafen geben…
„Des Weiteren sei angemerkt, dass der DFB im Vorfeld auf die Gesetzeslage hinwies und somit eine Beantragung jeglicher Pyroaktionen von vorn herein ausschloss.“ – Mir erschließt es sich nicht, wieso dem DFB das Schreiben nicht zugeschickt wurde. Was hat der Chemnitzer FC in dem Fall zu verlieren?! Mehr als eine offizielle Absage, dass die Durchführung untersagt und bei Missachtung Strafen zur Folge hat, wäre aus Frankfurt nicht gekommen. Vielmehr agiert der Chemnitzer FC gegen seine eigenen Anhänger, stößt diese vor den Kopf – und will das nicht merken. Traurig, sehr traurig.
„Motivation ist abhängig von einer Pyroshow? Das ist zu einfach formuliert!“ – Mir stellt sich die Frage hierbei: Wer bitteschön hat diese Formel formuliert?! Wir waren es nicht.
„Zudem haben sich Herr Kühn und auch meine Person am Freitag intensiv mit Fans, die sich als Vertreter der Ultras ausgaben, im Fanshop ausgetauscht […].“ – Mit Verlaub, aber die „Fanszene Chemnitz“ ist überschaubar, so dass jeder jeden kennt.
„Klüger wäre es gewesen, offensiv und kooperativ MIT dem Verein und im direkten Gespräch nach kreativen Alternativen zu suchen.“ – Jetzt suchen wir auf einmal nach Alternativen, die es doch eigentlich von Vereinsseite gab. Komisch.
„Das Herz der Südkurve, die nicht WIR, sondern unsere Eltern, Großeltern und Urgroßeltern eingeweiht haben, pocht zum Abschied nicht? Weil Pyrotechnik verboten ist??? Unsere Südkurven-Vorfahren würden sich im Grabe winden!“ – Polemik, die übers Ziel hinausschießt und die Situation verschlimmert, nicht verbessert.
„Stolz wäre es, zu zeigen, dass man mit menschlichen stilistischen Mitteln einen unvergesslichen Abschied von unserem Wohnzimmer zelebrieren kann […].“ – Wunderbar, keine zwei Wochen Zeit, und der Verein wünscht sich eine Choreografie. Aus dem Hut gezaubert, ohne die Vorteile der Fanhalle. Herzlichen Glückwunsch! Das, was gegen Erfurt auf die Beine gestellt wurde, scheint vergessen.

Die Reaktion der „Fanszene Chemnitz“, aber auch die der regelmäßig im Internet wütenden Besserwisser, waren anschließend klar. Das Internet wurde zu einem Schlachtfeld, wo ein jeder, ob mit der Materie vertraut oder nicht, aus allen Rohren feuerte, wodurch der Sinn des Spiels in den Hintergrund rückte. Die „Fanszene Chemnitz“ entschied sich schlussendlich: Zum Testspiel gehen, im Block 6 niederlassen, ohne Fahnen, Banner und Stimme. So wie bei jeden Testspiel – und das schon seit Jahren. Nichts neues, ein alter Hut. Sofort wurde daraufhin behauptet: Der „Ultras-Kindergarten“ bockt herum, weil er nicht das bekommt, was er möchte. Eine Welle von fragwürdigen Aussagen und Beleidigungen waren nun die Folge. Es sei an dieser Stelle angemerkt: Wer solche Zeilen auf die Tastatur hämmert, hätte den Worten Taten folgen lassen müssen. Wo war die Stimmung, die vom Verein gefordert wurde?! Es gab sie nicht, weil keiner die Rolle des Capos einnahm, einnehmen wollte. Es war eine Chance, die vertan wurde… Nach dem Schlusspfiff fasste die Gruppe „Contra Cultura“ die traurige Atmosphäre via Spruchband wie folgt zusammen: „Ihr würdigt nicht den letzten Wille? So ertragt nun diese Stille!“

Aufgrund der langen Vorgeschichte rückte das gute Spiel gegen den 1. FC Kaiserslautern in den Hintergrund. Nach wenigen Minuten hätte der Kraft-Klub in Führung gehen müssen. Förster antizipierte einen Fehlpass und wurde danach im Strafraum von den Beinen geholt. Ein übermotivierter Kegel schob den Ball zwei Meter neben das Tor. In der Folgezeit spielten die Himmelblauen gut mit und kamen sowohl in der ersten als auch in der zweiten Halbzeit zu guten Chancen. Den Gästen aus Kaiserlautern, begleitet von 60 Schlachtenbummlern, merkte man deutlich an, dass ihnen die straffe Vorbereitung irgendwie in den Knochen steckte. Es blieb beim torlosen Unentschieden. 

Ein letztes Mal die Treppe in die Südkurve gehen, ein letztes Mal vor der Anzeigetafel stehen, ein letzter Augen-Blick, das letzte Mal, Erinnerungen kommen, gute und schlechte, alles, ein Film läuft ab, ich blicke nach vorn und zurück, mit Wehmut, mit Freude. Ab sofort kämpfen sich Bagger durch die Fischerwiesen-Vergangenheit, um Zukunft aufzubauen. Wir bleiben dabei, egal aus welcher Richtung der Wind weht!

Deswegen folgender Appel: ALLE nach Heidenheim!


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