< 35 - FC Rot-Weiß Erfurt (H)

08.05.2017
Kategorie: Punktspiel, 1.Mannschaft, 2016/2017
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Von: "Fotomafia KMS"

36 - SC Preussen Münster (H)


Auf den Tag genau vor einem halben Jahrhundert konnte der FC Karl-Marx-Stadt seine erste und bis dato einzige Meisterschaft erringen. Dies zum Anlass nehmend, führte die himmelblaue Fanschar einen „Meistermarsch“ durch, an dem – im Kremser mitfahrend – Helden von damals teilnahmen. Dazu gab es auf der „Festung Fischerwiese“ eine beeindruckende Choreografie. Auf dem Rasen unterlagen die aktuellen Himmelblauen sang- und klanglos gegen Preußen Münster mit 0:3.

Wir schreiben den 07. Mai 1967, den Spieler des FC Karl-Marx-Stadt ist Großes gelungen. Mit dem 1:0-Auswärtserfolg beim FC Hansa Rostock konnten die Scherbaum-Schützlinge einen Spieltag vor Saisonende vorzeitig die den DDR-Meistertitel feiern. Der Empfang auf dem Karl-Marx-Städter Hauptbahnhof war dementsprechend. Feucht und fröhlich, mit überglücklichen Fans, die ihre Helden auf Schultern trugen. Ein unbeschreibliches, ein einmaliges Erlebnis, das eigentlich nicht wiederholbar ist.

Genau ein halbes Jahrhundert später wagten die himmelblauen dennoch dieses Unterfangen: So nahmen die „Ultraszene KMS“ und der „Fanszene Chemnitz e.V.“ diesen Tag zum Anlass, um diesen größten Erfolg der Vereinsgeschichte wieder in Erinnerung zu rufen und den Helden von damals dafür zu danken. So schaffte man es mit Eberhard Schuster, Eberhard Vogel, Claus Kreul, Friedrich Hüttner, Peter Müller, Manfred Hambeck, Fritz Feister, Albrecht Müller, Dieter Leuschner und Manfred Lienemann immerhin zehn Spieler sowie den Mannschaftsarzt Dr. Helmut Martin für diesen Tag zu gewinnen.

Für die elf FCK-Veteranen begann der Tag auf dem Betriebshof in Schönau, wo eine alte Nostalgie-Bahn, die vom „Straßenbahnmuseum Chemnitz“ zur Verfügung gestellt wurde, parat stand. Dazu waren einige, vor allem ältere, himmelblauen Fans zugegen, die sich Autogramme geben ließen. Nach einem Bild vor der Bahn, inklusiver „Tradition-stirbt-nie“-Fahne, ging es auf eine tiefen-entspannte Fahrt, auf welcher sich die Herren, die sich lange Zeit nicht mehr gesehen hatten, ausgiebig unterhielten, dabei die ein oder andere Anekdote von damals austauschten. Auch darüber, wie der Empfang nach dem Rostock-Erfolg ausfiel, als sie von 5.000 Anhänger begrüßt wurden.

Als sie nun, ein halbes Jahrhundert später, auf dem Chemnitzer Hauptbahnhof einfuhren, standen einigen Tränen in den Augen. Die Freude über die Ankunft vor fast 1.000 frenetischen Fans, von denen die wenigstens vor 50 Jahren dabei gewesen sein dürften, war unglaublich. Sie wurden von einem himmelblauen Fahnenmeer und FCK-Liedern in Empfang genommen. Es folgte ein Zeichen der Rührung im Moment des Respekts.

Nachdem sie in Schönau bereits ein „Erler-Vogel-Feister“-Shirt, einen Meisterschal sowie die Spieltagsausgabe der „FIWI-Depesche“ geschenkt bekamen, erhielten sie außerdem noch einen Blumenstrauß überreicht. Sie positionierten sich danach vor dem neuen „DDR-Meister-1967“-Banner, hinter dem immer wieder „Heja, Heja FCK...!“ intoniert wurden. Als nächstes nahmen die betagten Herren in einem Kremser Platz und fuhren voran, gefolgt vom Mob, der hinter der neuen Fahne die etwas weniger als drei Kilometer bis zur „Festung Fischerwiese“ Lieder aus der guten, alten Zeit sangen. Am Stadion angekommen lobte Fritz Feister die Aktion der Fans via Megaphon: „Hallo liebe Sportfreunde, wir möchten uns im Namen der Mannschaft recht herzlich bei Euch für diesen Empfang bedanken. Wir haben uns gefreut, dass so viele Massen hergekommen sind. Besten Dank!“

Abgeschlossen wurde der gelungene „Meistermarsch“ noch mit einigen pyrotechnischen Erzeugnissen. In der „Festung Fischerwiese“, in welcher leider – und das trotz einer feinen Karten-Aktion von Vereinsseite, so kosteten alle Sitzplätze nur 19,67 Euro – nicht einmal 6.000 Zuschauer zugegen waren, gingen die Feierlichkeiten weiter.

Die Hymne „67 war’n wir Meister, mit Erler, Vogel, Feister...“ wurde weitergesungen – und die DDR-Meister standen sichtlich gerührt vor der „Südkurve“, klatschten, freuten sich, waren begeistert, sorgte für eine Laola-Welle. Stadionsprecher Olaf Kadner gab den Siegtorschützen aus Rostock – Manfried Lienemann – noch einmal durch und das dazugehörige Ergebnis. Vor der „Südkurve“ war schwarz auf weiß das Datum „07.05.1967“ zu lesen, dahinter wurde sich derweil schon eifrig auf die anstehende Choreografie vorbereitet.

So gingen einige Tausend „67“-Doppelhalter über die komplette „Südkurve“ in die Höhe, anschließend folgte im Zentrum eine Blockfahne mit Meister-Wimpel und -Medaille, außerdem waren die Akteure Erler, Vogel, Feister und Lienemann in Aktion abgebildet. Ein beeindruckendes Bild, welche mit der Erinnerungsbotschaft „Stolz blicken wir zurück – 1967 unser Meisterstück“ am Zaun abgerundet wurden. Und das unter anderem auch vor den Augen von Michael Ballack, dem erfolgreichsten Fußballsohn der Stadt Chemnitz, welcher erstmalig wieder bei seinem ehemaligen Verein vorbeischaute und diesem vor allem folgendes mit auf den Weg gab: „Man muss versuchen, Sponsoren heran zu ziehen. Die müssen spüren, dass hier Verantwortliche da sind, die sorgfältig und gewissenhaft mit den Geldern umgehen, die gut planen, die Herz zeigen für den Verein! Dieses Vertrauen wieder aufzubauen, ist ganz, ganz wichtig.“

Die Nerven verlieren, den Teufel an die Wand malen oder den Blick vor der Realität verschließen sind alles gleichermaßen falsche Ansätze. Es werden Personen gesucht, die den Ernst der aktuellen Lage begreifen und dass rettende Ufer vor den Augen haben, um den Lizenz-Schiffbruch zu vermeiden.

Im Gästeblock hatten sich derweil 350 Münsteraner kompakt und fahnenschwenkend positioniert; in der Regel weiß ein jeder, was folglich passieren wird – und so kam es schließlich auch: Münster zündelte erstmalig in Chemnitz, mit grünem Rauch, dazu ein Dutzend Bengalen in eben dieser Farbe. Nur bekam das keiner so wirklich nicht – und selten war folgender Satz so treffend wie diesmal: Stell Dir vor, Du brennst Pyrotechnik ab und niemand interessiert sich dafür. Da zur DDR-Meister-Choreografie Musik eingespielt wurde, konnte der Stadionsprecher erst später – und da war der Nebel schon fast wieder verzogen – die Gäste dafür rügen.

Die Partie zwischen den Tabellennachbarn – Münster liegt auf dem zehnten Rang, Chemnitz einen davor – war gerade einmal acht Minuten jung, schon lagen die Himmelblauen in Rückstand. Ein simpler langer Ball wird verlängert, Mbende irrt umher, Bittroff kommt zu spät – und Kobylanski lässt Kunz keine Chance. Der Torschütze zelebriert die Führung vor der Gästekurve ausgiebig – und die bis dato ihren besten Auftritt – und das nicht nur wegen der Pyro-Einlage – in Chemnitz hinlegte. Der Support war laut, selten gab es Ruhepause, dazu war Tifo-Material im Einsatz. Zudem waren 40 Stadionverbotler an diesem Sonntag mit angereist.

Die „Südkurve“ begann die Partie inbrünstig und hielt die ersten Minuten im Mittelblock noch die „67“-Doppelhalter hoch. Der frühe Rückstand tat dem Support keinen Abbruch, auch weil die himmelblauen Herren auf dem Feld bemüht waren, so schnell als möglich den Ausgleich zu erzielen. So hatte Frahn, der für Hansch in die Startformation rückte, eine erste Kopfballmöglichkeit.

Dessen ungeachtet wurde aber frühzeitig deutlich, dass den aktuellen Spielern die Lust am Fußballspielen fehlt. Offensive agierte man ohne kreative Ideen, Tempo und Zielstrebigkeit, in der Defensive gab es haarsträubende Fehler. So vertändelte Mbende leichtfertig den Ball, den sich Grimaldi schnappte, das folgende Sprintduell gewann, am Ende zum Glück am Pfosten scheiterte. Mast, der zu den Besseren gehörte, hatte den Ausgleich vor der Pause auf dem Fuß, jedoch setzte keiner nach, um den Abpraller über die Linie zu drücken.

Mast war es auch, der im zweiten Durchgang wiederum den Ausgleich auf dem Fuß hatte, jedoch scheiterte er erneut am Schlussmann der Gäste. Es war das letzte himmelblaue Lebenszeichen an diesem Tag, es folgten, wenn man so will, noch zwei Demütigungen seitens der Gäste, die zum Toreschießen regelrecht eingeladen wurden. Ein Lupferpass, ein Lupferabschluss – 0:2 nach 65. Minuten durch Rizzi. Der dritte Münsteraner Treffer fiel in der 73. Minute, Grimaldi ließ den eingewechselten Türpitz sowie Kunz links liegen und Mbende, der auf der Linie stehen wollte, diese aber scheinbar nicht fand, alt aussehen.

Das Spiel war damit eindeutig entschieden. Es folgten Pfiffe, dazu bekamen Dr. Hänel und Sportdirektor Beutel ihr Fett weg. Die von den Fans ausgerufene „Meistersaison“, in der so viel möglich war, wurde leichtfertig verspielt. Ein Trauerspiel. Auf ganzer Linie. Das neben dem Platz entschieden wurden.

Die einzigen, die sich nichts vorwerfen können, sind die treuen himmelblauen Fans – und diese riefen via Spruchband folgendes Motto für die Absch(l)uss-Fahrt nach Regensburg auf: „Alle (in) blau nach Regensburg!“


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