< 11 - FC Energie Cottbus (H)

27.09.2014
Kategorie: Punktspiel
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Von: Lenny

12 - Sportgemeinschaft Dynamo Dresden (A)


Ganz genau vor elf Jahren gastierte der Chemnitzer FC zuletzt bei der SG Dynamo Dresden. Damals verloren die Himmelblauen vor mehr als 8.000 Zuschauern im altehrwürdigen Rudolf-Harbig-Stadion mit 2:0. Heute zog man mit 0:1 den Kürzeren. Der entscheidende Treffer fiel kurz vor Schluss nach einem Pentke-Fehler. Auf den Rängen herrschte würdiger Derby-Support.

Im Vorfeld, vor der Saison, hätte sicherlich niemand damit gerechnet, dass am 12. Spieltag das sächsische Duell zwischen dem Chemnitzer FC und der SG Dynamo Dresden ein Spitzenspiel sein wird. Der Tabellenführer gastiert beim Tabellenzweiten. 2.700 himmelblaue Schlachtenbummler machten sich auf den Weg nach Elbflorenz. Erstmalig seit dem Turin-Ausflug in der Spielzeit 1989/1990 wird wieder ein Sonderzug – die Nachfrage auf die begehrten 670 Kombi-Tickets war enorm, sodass frühzeitig ausverkauft vermeldet werden konnte. Der Rest verteilte sich dementsprechend auf mehrere Busse, Autos und Kleintransporter sowie den normalen Bahnverkehr. Für die Steh- bzw. die Sitzplätze galt ebenfalls. Ausverkauft! Chemnitz hatte Bock auf Dresden – und umgekehrt war es genauso, allerdings blieben – wie beim letzten Sachsenpokal-Aufeinandertreffen – Vorfeldscharmützel auf beiden Seiten aus.

Für beide Teams stand das nächste Derby auf dem Programm. Dresden holte unter der Woche einen Punkt beim Halleschen FC und verpasste damit den Sprung an die Liga-Spitze; der Patzer vom Chemnitzer FC, der zuhause gegen Energie Cottbus mit 0:1 unterlag, konnte folglich nicht ausgenutzt werden.

10 Uhr versammelte sich der Zugfahrer-Mob – und fuhr danach tiefen-entspannt und seriös nach Dresden. Kurz vor der Abfahrt vergaßen jedoch kurzzeitig einige Dresdner sowie deren Freunde aus Zwickau, als ihr Zug hielt, wo sie sind und vor wem sie gerade stehen. Als Dank ließ man einige Hals-Souvenirs da.

Ankunft am Bahnhof. Raus aus dem Zug. Überblick gewinnen. Überall Polizei, die deeskalierende Präsenz zeigt. Sich nicht provozieren lassen. Alles verläuft ruhig und friedlich. Die anwesenden schwarz-gelben Späher werden entsprechend begrüßt, genau wie deren Anhänger aus der Region, die via Zug angereist sind. In der Hauptbahnhofhalle werden Dresdner Fans – aus meiner Perspektive willkürlich – kontrolliert. Ein junger Polizist gibt stolz zu Protokoll, dass man bereits 60 „verdächtige Herren“ kontrolliert habe. Jedoch ohne Erfolg. Die Busfahrt vom Bahnhof zum Gästeblock dauerte wenige Minuten, war unspektakulär. Nicht zu vergleichen mit dem, was vor elf Jahre hier los gewesen ist.

Rein ins „Stadion Dresden“, das mit 29.652 Zuschauern ausverkauft ist. Und ein Blick in die vollbesetzten Fankurven geworfen. Im Gästesektor hingen vorn am Plexiglas die Banner „Problemkinder“ und „Oldschool 1999“, beim Treppenaufgang, wo auch der Capo agierte, die große „Chemnitz“-Fahne. Zu Beginn wedelten im oberen Bereich – den Stadtfarben von Chemnitz entsprechend – gelbe und himmelblaue Luftstangen. Dazu wurde sich lautstark bemerkbar gemacht, allerdings ist es nahezu unmöglich gegen das dynamische Brimborium vor dem Spiel anzukommen. Der UD-Capo dirigiert – und alle machen mit Inbrunst mit. Gleiches gilt für die Vereinslieder. Die letzten fünf Minuten vor dem Anpfiff gehören den Fans – und diese präsentieren eine Choreografie aus drei Teilen.

Teil 1: Am Zaun hängt der Schriftzug: „Ob asoziale Chemnitzer, Schachter oder Leipzig-Schweine – in Sachsen regiert Dynamo alleine!“ Dazu wurden grüne und weiße Zettel in die Höhe gehalten.

Teil 2: Am Zaun hängt anschließend der Schriftzug: „Und auch im Wappen ist es dargestellt: Sachsen erstrahlt in schwarz und gelb!“, womit die erste Aussage sein Ende findet. Die Blätter werden umgedreht und werden schwarz und gelb. Im Zentrum vom K-Block war die ganze Zeit über das Wappen der Sportgemeinschaft, der Stadt Dresden und vom Freistaat zu sehen.

Teil 3: Die Blätter werden zu Schnipsel verarbeitet, es entsteht ein ansehnlicher Konfetti-Regen. Danach wird es brachial, auf beiden Seiten, das Supportduell beginnt, genau wie das auf dem Rasen.

Beim Chemnitzer FC rückt einzig Garbuschewski für Kehl-Gomez in die Startformation, der Rest blieb identisch. Dresden drückte sofort auf die Tube: Top-Torschütze Eilers tankte sich nach vier Minuten mit Glück und Geschickt durch und hämmerte an den Pfosten. „Dynamo“ schallt es durch das Rund. Glück gehabt, nicht wie gegen Cottbus, wo man bereits nach fünf Minuten in Rückstand geraten war. Die Himmelblauen antworten mit ihrem typischen Kurzpassspiel. Nur stirbt man dabei in letzter Zeit allzu oft in Schönheit. Wer keine Chancen hat, kann auch keine Tore schießen. Dessen ungeachtet haben die Gäste mehr vom Spiel. Fink zieht ab, jedoch harmlos. Kirsten ohne Probleme.

Dresden ist dazu wesentlich zielstrebiger, aber Pentke stets auf dem Posten. Ein Comvalius-Kopfball nach einem Eckball landet zentral, in Pentkes Arme. Pausenpfiff. Luftholen von diesem packendes, von diesem spannenden Spiel. Mit, wenngleich harmlosen, Chancen.

Die Stimmung auf den Rängen ist formidabel und friedlich. Es gibt kaum Schmähgesänge. Der eigene Verein stand im Fokus. Wenn die Dresdner kurzzeitig schwiegen bzw. einer deren Capo ein neues Lied anstimmte, waren die Gäste, die ihr Gesangrepertoire konsequent durchzogen, mehr als deutlich zu vernehmen. Dresden war etwas davon überrascht, ließ sich davon aber nicht beirren. Fahnen wurde geschwenkt, Schals gezeigt. Auf beiden Seiten. Mitte der ersten Halbzeit stellte der K-Block via Spruchband fest: „Chem-Cat – Die sauberste Muschi in Karl-Marx-Stadt!“ Aha.

Die zweite Halbzeit gestaltet sich wie die erste: Die Himmelblauen bleiben ihrer Linie treu, versuchen sich Chancen zu erspielen, zu erarbeiten. Fink zieht, nach Hackenvorlage von Türpitz, ab, aus 20 Metern ab, Kirsten sicher. Poggenberg köpft kurze Zeit später frei stehend nach einer Garbuschewski-Ecke weit über den Kasten. Man nähert sich. Mehr aber auch nicht.

Im K-Block war zu diesem Zeitpunkt das Spruchband „Sympathie zum Erbfeind? – Nicht mit uns!" in die Höhe gehalten worden. Im Gästesektor rauchte es ein wenig. Aber das reichte für ein Pfeifkonzert aus. Zudem gelang es den himmelblauen Anhängern den Support noch etwas zu optimieren; weitere Capos wurde eingesetzt, um vor allen die Sitzplätze besser koordinieren zu können. Was unterm Strich gelang. Der Auftritt war gut, nur hatte Dresden die Masse.

Ferner wurde zum einen über dem Banner von „Dresden-Ost“ die 08/15-Zaunfahne „Fanclub Kellig“ schnell präsentiert und zerrissen sowie waren zum anderen zwei Fanshop-Schals zu sehen. Mehr nicht. Auch das Spruchband „Fans des Chemnitzer FC = mehr Bier am Tag als Zähne im Maul!“ war wenig überzeugend, da es, wenn überhaupt, nur ein Klischee bedient.

Auf dem Feld gestaltete sich derweil ein Hin-und-Her. Dresden war an der Reihe, mit Eilers, spitzer Winkel, Pentke. Stark! Weiter geht es: Stefaniak. Direktabnahme. Pentke sicher.

Es läuft die 86. Minute. Alle rechnen mit einem torlosen Remis. Vrzogic schlägt einen harmlosen Flankenball noch vorn, zum Elfmeterpunkt. Pentke – bis dato fehlerfrei – eilt aus seinem Tor heraus, will klären. Nur hat er irgendwie Comvalius aus den Augen verloren, der eher am Ball ist und diesen in Richtung Tor köpft, wo der Ball – unterstützt  von der Unterkante der Latte – letztlich landete. Nein. Nein. Nein.

Danach begann der wilde Lauf des Torschützens. Trikot ausziehen und ab in den Block springen und mit den Fans, die kollektiv ausrasteten, zusammen zu feiern. Allerdings hatte er dabei die Rechnung ohne die Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus, die heute nicht ihren besten Tag erwischt hatte, gemacht; nach dem Tor, in dieser Situation entschied sie aber regelkonform. Es gab jeweils eine gelbe Karte für Trikotausziehen sowie den Blocksprung. Unterm Strich: Ampelkarte. Platzverweis. Dresden damit die verbleibenden Minuten, in denen der Chemnitzer FC alles nach vorn warf, in Unterzahl. Und beinahe wäre der Ausgleich noch gefallen. Endres sein Schuss, nach Vorlage vom eingewechselten Cincotto konnte aber geklärt werden.

Schade, wie schon gegen Cottbus reicht ein Tor aus, um den Kraftklub zu besiegen. Deren Fans schoben diesbezüglich keinen Frust, sondern zollten ihren Spielern lautstark Tribut für die Leistung in diesem Spiel, für die Leistung in den beiden englischen Wochen, für das bis dato Erreichte in der jungen Saison. Nach zwölf Spielen steht der Chemnitzer FC auf dem vierten Platz – und hat mit den Abstiegsregionen überhaupt nichts zu tun. Dresden übernimmt damit die Tabellenführung.

Nach dem Spiel herrschte kurzzeitig Konfusion. Ein Shuttle-Bus ging defekt, dementsprechend dauerte es etwas länger, ehe alle wieder am Hauptbahnhof waren. Zudem waren sich die Staatsdiener in manchen Dingen uneinig. Aus welchem Grund einige himmelblaue Anhänger am Ende laufen mussten, bleibt das Geheimnis der Polizei. Feststeht: Es war ein friedliches Derby. Dazu Werbung für den (Ost-)Fußball.

„Der Schlagstock schlägt im Takt der Musik.
Der Asphalt bebt, eine Stadt im Krieg.
Aus der Monotonie, in die Massenhysterie.
Der nächste Funke genügt und ein Brandsatz fliegt.
Polizisten stehen im Pflastersteinregen.
Ich weiß nicht, worum es geht, doch wir sind anscheinend dagegen.
Gegen das System, nehme ich jetzt mal an, kein Plan.
Ich bin nur einem Mädchen hinterher gerannt…
Hand in Hand — Der Einsatztrupp treibt uns zusammen!
Hand in Hand — Die verdammte Stadt steckt mein Herz in Brand!
Hand in Hand — Farbbomben platzen an der Häuserwand!
Hand in Hand — Im Sixpack Richtung Sonnenuntergang…“


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